11.06.2021
Die COVID-19-Pandemie stellt auch nach mehr als einem Jahr für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE) als auch für Rheumatologinnen und Rheumatologen eine große Herausforderung dar. Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) vom März 2020 sollten eine erste, rasche Hilfestellung für spezielle Belange in der Betreuung von Patienten mit ERE angesichts der Bedrohung durch SARS-CoV-2 geben. Diese beruhten vor allem auf einem Expertenkonsens [1, 2, 3]. Bei der ersten Aktualisierung im Juli 2020 [4, 5] konnte bereits auf wissenschaftliche Daten aus Registern, Querschnittstudien, Fallberichten und Fallserien zurückgegriffen werden [6, 7]. Inzwischen haben wir weitere Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Publikationen zur COVID-19 bei ERE, aus denen sich wesentlich genauere Aussagen zu krankheits- oder therapiebedingten Risiken ableiten lassen. Ein wichtiger Grund für eine erneute Aktualisierung der Handlungsempfehlungen ist die Tatsache, dass nun Impfungen gegen SARS-CoV-2 verfügbar sind und somit auch zunehmend Patienten mit ERE verabreicht werden. Dies wirft vielfältige Fragen auf, auch und gerade für Patienten mit ERE, aber auch für die diese betreuende Ärzteschaft und medizinisches Fachpersonal.
Für wen sollen diese Handlungsempfehlungen gelten?
Die hier gemachten Aussagen und Empfehlungen beziehen sich auf Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen (ERE), vor allem unter Berücksichtigung der medikamentösen antirheumatischen Therapie. Wo dies sinnvoll oder notwendig erscheint, werden auch Vergleiche zu SARS-CoV-2-Infektionen und COVID-19 in der Normalbevölkerung gemacht. Die Aussagen relativieren sich - zumindest teilweise – für ERE-Patienten, welche gegen COVID-19 geimpft wurden bzw. einen Infektionsschutz nach durchgemachter SARS-CoV-2-Infektion aufweisen. Es besteht aber noch keine Klarheit darüber, ob und wie ein Impferfolg oder ein Schutz nach durchgemachter Infektion mit ausreichender Aussagekraft untersucht werden kann und wann ggf. Auffrischimpfungen notwendig sind. Hinzuweisen ist auch darauf, dass diese Empfehlungen nicht alle Situationen abdecken können, welche im Einzelfall ein Abweichen hiervon rechtfertigen oder sogar nahelegen.
Die komplette Handlungsempfehlungen können Sie hier sehen.
* LoA: Level of Agreement / Grad der Übereinstimmung (± Standardabweichung) nach Abstimmung in der Autorengruppe mit 21/21 Voten für jede Frage. GoR: Grad der Empfehlung. ⇑⇑ starke Empfehlung, ⇑ Empfehlung, ⇔ Empfehlung offen (gemäß 3-stufiger Gradierung AWMF-Regelwerk). Obgleich bei einzelnen Empfehlungen auch Level 2b- oder 3b-Evidenz vorlag, wird für die konsentierten Empfehlungen nur der Evidenzlevel (LoE) 5 angesetzt und nicht einzeln in der Tabelle ausgewiesen.
01.04.2021
Der vektorbasierte COVID-19 Impfstoff AZD1222 von AstraZeneca wurde nach Prüfung durch die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) am 29. Januar 2021 in der EU zugelassen und ab Februar in Deutschland eingesetzt. Aufgrund eines verhältnismäßig niedrigen Anteils älterer Probanden in den Zulassungsstudien wurde in einigen EU-Ländern dieser Impfstoff zunächst nur für jüngere Menschen empfohlen, in Deutschland von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut nur für unter 65-Jährige. Nach Analyse von Daten, die im Rahmen der breiten Anwendung des Impfstoffs in England und Schottland erhoben wurden und „robuste Ergebnisse für eine gute Wirksamkeit des Impfstoffs auch in höheren Altersgruppen“ zeigten, hat die STIKO dann am 4. März 2021 mitgeteilt, dass sie die Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff nun für alle Altersgruppen, entsprechend der Zulassung, empfiehlt.
Nach ersten Berichten über thromboembolische Ereignisse im zeitlichen Zusammenhang mit der Applikation der AstraZeneca Vakzine haben einige EU -Länder im März 2021 bestimmte Chargen gesperrt oder alle Impfungen mit dieser COVID-19 Vakzine ausgesetzt. In Deutschland führte das Auftreten seltener, zum Teil tödlicher cerebraler Sinusvenenthrombosen (CSVT) in Kombination mit einer Thrombozytopenie am 15. März zu einem Stopp der Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff, der nach einer positiven Nutzen-Risiko-Bewertung durch die Pharmakovigilanz (PARC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) am 19. März aber wieder aufgehoben wurde. Am 30. März empfahl die STIKO nach weiteren Berichten über schwer verlaufende CSVT die Impfung mit der COVID-19 Vakzine von AstraZeneca „im Regelfall“ nur noch für Menschen über 60 Jahre. Die EMA hat nach eingehender Prüfung der Datenlage von 269 Meldungen zu thrombembolischen Ereignissen bei ca. 20 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Impfstoff am 31. März 2021 mitgeteilt: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Analyse für thromboembolische Ereignisse insgesamt beruhigend ist. Es wurde jedoch ein Signal der Disproportionalität für seltene Ereignisse wie disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC), zerebrale venöse Sinusthrombose und hämorrhagischem Schlaganfall festgestellt, welches weitere Untersuchungen rechtfertigt.“ Bis auf einen zusätzlichen Hinweis auf diese Komplikationsmöglichkeit und eine vermehrte Vigilanz hierzu wurde kein Anlass zur Zulassungsbeschränkung gesehen [1]. Die Rate thrombembolischer Komplikationen nach Impfung mit dem AstraZeneca Impfstoff war in den Zulassungsstudien und der post market surveillance der Herstellerfirma signifikant niedriger als in der Normalbevölkerung zu erwartet gewesen wäre [1]. Auch der britischen Medicines & Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) wurde bei ca. 13,7 Millionen mit der AstraZeneca-Vakzine durchgeführten Impfungen keine erhöhte Inzidenz venöser Thrombembolien berichtet [2].
In den Berichten über Komplikationen nach Impfung mit der COVID-19 Vakzine von AstraZeneca aus Deutschland sind Thrombosen häufig in Kombination mit Thrombozytopenien, DIC und Blutungen bei Geimpften aufgetreten. Neben CSVT wurden auch einzelne Fälle von Mesenterialvenenthrombosen und Lungenembolien berichtet. Die Symptome traten 4 bis 16 Tage nach der Impfung auf und es waren überwiegend Frauen im Alter bis 55 Jahren betroffenen. Wenige Fälle traten auch bei Männern in der gleichen Altersgruppe und selten bei Älteren auf. Bis zum 26. März wurden dem Paul-Ehrlich-Institut 21 Fälle (19 Frauen, 2 Männer) einer CSVT gemeldet, davon 15 mit Thrombozytopenie und 5 Fälle ohne Thrombozytopenie (bei einem verstorbenen jungen Mann mit autoptisch festgestellter CSVT lag keine Thrombozytenbestimmung vor). Darüber hinaus traten bis zum 26.03.2021 zwölf andere thromboembolische Ereignisse mit Thrombozytopenien sowie Fälle von disseminierter intravasaler Koagulopathie (DIC) mit Thrombozytopenie nach AstraZeneca-Impfung auf, die teilweise einen letalen Verlauf nahmen. Einige dieser Fälle befinden sich noch in Abklärung. Es waren wiederum vorwiegend Frauen der Altersspanne zwischen 24 und 63 Jahren betroffen (drei PatientInnen waren älter als 55 Jahre). Unter den vier Todesfällen, die in diesem Zusammenhang auftraten, war auch ein 24-jähriger Mann [3].
Als wichtiger Pathomechanismus wurde in Untersuchungen des Instituts für Immunologie und Transfusionsmedizin der Universität Greifswald bei allen 4 daraufhin untersuchten Patientinnen von insgesamt 9 Fällen mit Thrombozytopenie, davon 8 mit CSVT und 1 mit LAE (8 Frauen, 1 Mann, Alter 22 – 49 Jahre, 4 tödliche Verläufe) eine der heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT) ähnliche Immunreaktion identifiziert, die offenbar bei prädisponierten Personen, eventuell im Rahmen der Immunstimulation durch die Impfung, zu einer Antikörperbildung gegen Plättchenantigene (PF4/Heparin) führt, welche über eine Thrombozytenaktivierung einerseits zu einem Thrombozytenabfall und andererseits zu einer CSVT führen könnte [4]. Damit ist diese Form der Sinusvenenthrombosen vom Pathomechanismus nicht mit gängigen venösen oder arteriellen Thrombosen zu vergleichen, wie wir sie auch bei bestimmten rheumatologisch-immunologischen Krankheitsbildern, insbesondere beim Antiphospholipidsyndrom (APS), als typische Krankheitsmanifestation kennen.
Wir schließen uns daher der Sichtweise der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung (GTH vom 31.3.2021 [5]) und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO vom 30.3.2021 [6]) an, dass Patienten mit einer positiven Thromboseanamnese und/oder einer bekannten Thrombophilie kein erhöhtes Risiko haben, nach Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19 Vakzin diese spezifische und sehr seltene Komplikation zu erleiden.
An vorbestehenden Erkrankungen wurden unter den 9 Fällen aus Deutschland und Österreich je einer mit demyelinisierender Erkrankung, einer mit Antiphospholipidantikörpern, ein Fall mit einem van Willebrand-Jürgens-Syndrom und ein Fall mit „unspezifischer Gerinnungsstörung“ berichtet. Das nach wie vor geringe Risiko für eine CSVT scheint vor allem durch Alter und Geschlecht definiert zu sein, auch wenn der vermutete Pathomechanismus kein ausgeprägtes geschlechtsspezifisches Risiko erklärt. Von bislang 33 Fällen thrombembolischer Komplikationen im Kontext einer Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff (bei ca. 2 Millionen Impfungen in Deutschland), handelte es sich in 90% um Frauen im Alter zwischen 20 und 63 Jahren. Bei den Männern zwischen 24 und 57 Jahren [2]. Bei der Interpretation dieser Daten ist allerdings zu berücksichtigen, dass bisher vorwiegend jüngere Patienten und in der Altersgruppe zwischen 20 und 59 Jahren mehr als doppelt so viele Frauen wie Männer mit dem AstraZeneca Vakzin geimpft wurden.
Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass Thrombozytenaggregationshemmer wie ASS, Heparin oder gar orale Antikoagulantien einen protektiven Effekt auf das (niedrige) Risiko einer CSVT nach einer Impfung haben, und wir warnen ausdrücklich davor, solche Maßnahmen allein unter der Vorstellung einer Reduktion des Risikos einer CSVT zu ergreifen.
Wir sehen das Risiko einer Infektion und einer sich daran anschließenden COVID-19 Erkrankung als so bedeutend an, dass wir bei fehlenden Hinweisen für eine spezielle Gefährdung von Patienten mit ERD oder APS unbedingt weiter dazu raten, die Impfung gegen eine SARS-CoV-2-Infektion durchzuführen, auch mit dem AstraZeneca-Impfstoff. Entsprechend der seit dem 31.03.2021 in Deutschland geltenden Empfehlung sollte dieser aber routinemäßig derzeit nur noch bei Menschen über 60 Jahre angewendet werden.
Hinweisen möchten wir noch darauf, dass die Coronaimpfverordnung keine Möglichkeit vorsieht, bestimmten Patientengruppen die alleinige oder bevorzugte Verwendung bestimmter Impfstoffe zu attestieren.
Weitere Informationen zu diesem Thema sind in den Stellungnahmen der Gesellschaft für Thrombose- und Hämostaseforschung e.V., der der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. und des Paul-Ehrlich-Instituts nachzulesen.
Für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
Prof. Dr. Christof Specker
(Vizepräsident)
Prof. Dr. Andreas Krause
(Präsident)
Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops
(Vizepräsident)
Quelle: SarsCoV2-Impfung mit dem Impfstoff von AstraZeneca (dgrh.de)
Berlin, Januar 2021
In den vergangenen Wochen erreichten die DGRh vermehrt verunsicherte Anfragen, denn es kursierten Fehlinformationen, wonach eine Impfung gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 für Menschen mit Rheuma risikobehaftet sei. Dies trifft nicht zu, betont die DGRh in einer aktuellen Stellungnahme. Stattdessen empfiehlt die Fachgesellschaft ausdrücklich die Impfung von Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.
Näheres erläutert PD Dr. Rebecca Fischer-Betz aus Düsseldorf in diesem Video:
6.04.2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Adhoc-Kommission COVID-19 und der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) haben sich erneut mit dem Thema „Impfung gegen SARS-CoV-2“ befasst. Folgende Überlegungen sind dazu gedacht, drängende Fragen zu diesem Thema zu beantworten, Sorgen und Ängste zu nehmen und aktualisierte Empfehlungen für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auszusprechen.
Alle Impfstoffe gegen SARS-CoV-2, die derzeit zugelassen sind, sind keine Lebendimpfstoffe. Diese „Nicht-Lebendimpfstoffe“ sind bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen und bei Patienten unter immunsuppressiver/immunmodulierender Therapie uneingeschränkt einsetzbar. Klassische Nicht-Lebendimpfstoffe (Totimpfstoffe), die sich in der
Entwicklung für eine Impfung gegen SARS-CoV-2 befinden, sind Vakzine auf der Grundlage adjuvantierter Proteine. Vakzine auf der Grundlage nicht-replizierbarer Vektoren (Astra-Zeneca)
und Vakzine auf der Grundlage von mRNA („mRNA-Vakzine“ wie BioNTech und Moderna) werden ebenfalls von den Lebendimpfstoffen unterschieden. Der Einsatz entspricht dem von
Totimpfstoffen.
Auch „mRNA-Vakzine“ und Vektorimpfstoffe sind also keine Lebendimpfungen. Die mRNA und die in den Vektoren
befindliche DNA integrieren sich zudem nicht in das menschliche Genom und es werden keinerlei Substanzen mit dem Vakzin verabreicht, aus denen der geimpfte Organismus komplette oder
infektiöse Viruspartikel zusammensetzen könnte. Die Vakzine führen zur vorübergehenden Produktion von Virusproteinen, gegen die das Immunsystem protektive Antikörper produzieren kann.
Somit kann der Einsatz sowohl der mRNA-Impfstoffe wie auch der Vektor-impfstoffe auch bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und unter immunsuppressiver/
immunmodulierender Therapie empfohlen werden.
Lebendimpfstoffe (Vakzine auf der Grundlage attenuierter Viren) sollen bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und bei Patienten unter immunsuppressiver/immunmodulierender Therapie nicht eingesetzt werden. Zurzeit ist kein Lebendimpfstoff gegen SARS-CoV-2 zugelassen oder befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung.
Abgesehen von bekannten Allergien gegen Impfstoffkomponenten gibt es keine Kontraindikationen für die COVID-19-Impfung. Das gilt auch für Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und für Patienten unter immunsuppressiver/immun-modulierender Therapie. Zum Risiko venöser Thrombosen, insbesondere von Sinusvenenthrombosen, nach Impfung mit dem Astra-Zeneca/Oxford-Impfstoff, sei auf die diesbzgl. Stellungnahme der DGRh verwiesen.
Wenn Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Patienten unter immunsuppressiver/immunmodulierender Therapie keinen ausreichend hohen oder langanhaltenden Titer neutralisierender Antikörper aufbauen, muss möglicherweise eine Auffrischung oder eine dritte Impfung erwogen werden. Dafür werden Daten laufender Impfstudien und -beobachtungen kontinuierlich ausgewertet.
Basierend auf den Daten der in Deutschland verfügbaren SARS-CoV-2-Impfstoffe gibt es derzeit keine krankheitsbedingte Präferenz für einen SARS-CoV-2-Impfstoff gegenüber einem anderen. Daher sollten Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen jeden verfügbaren Impfstoff erhalten unter Berücksichtigung der STIKO-Empfehlungen im Hinblick auf die Altersbegrenzung beim Astra-Zeneca/Oxford-Impfstoff, der nur für Patienten ab dem 60. Lebensjahr empfohlen wird.
Nach der SARS-CoV-2-Impfung sollten Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, wie alle anderen geimpften Personen auch, weiterhin alle geltenden Abstands-, Hygiene-und Atemschutzmaskengebotsregeln und andere vorbeugende Maßnahmen befolgen.
Unabhängig von den Überlegungen zu SARS-CoV-2 sollte die Impfung gegen Pneumokokken und insbesondere gegen Influenza gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission erfolgen. Daten zu Wechselwirkungen zwischen diesen und anderen bekannten Impfstoffen einerseits und den SARS-CoV-2 Impfstoffen auf der anderen Seite liegen nicht vor. Ein Mindestabstand von 14 Tagen vor Beginn und nach Ende der Impfserie gegen SARS-CoV-2 sollte bei anderen Impfungen (mit Ausnahme von Notimpfungen) eingehalten werden.
Aus grundsätzlichen Überlegungen zur Effektivität einer Impfung sollte die Immunsuppression zum Zeitpunkt der Impfung zwar so gering wie möglich sein. Für SARS-CoV-2 gilt aber: Das Risiko einer Reaktivierung der rheumatischen Erkrankung nach Absetzen einer immunmodulierenden/immunsuppressiven Therapie wird in Abwägung gegen eine potentielle Verbesserung der Impfantwort als so erheblich eingeschätzt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen wird, eine bestehende immunmodulierende/immunsuppressive Therapie wegen einer Impfung, deren Verfügbarkeit zurzeit nicht flächendeckend garantiert ist, zu verändern. Als Ausnahme gilt hier die Gabe von langwirksamen B-Zell depletierenden Substanzen (Rituximab). Hier sollte unter Abwägung der Gefahr einer Reaktivierung der Grunderkrankung einerseits und der Verbesserung einer potenziellen Impfantwort andererseits ein Pausieren oder die Um-stellung auf alternative Therapien erwogen werden.
Für den Vorstand der DGRh
Prof. Dr. Andreas Krause (Präsident)
Prof. Dr. Christof Specker (1. Vizepräsident)
Prof. Dr. Hendrik-Schulze-Koops (2. Vizepräsident)
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1 Geisen UM, Berner DK, Tran F, Sümbül M, Vullriede L, Ciripoi M, Reid HM, Schaffarzyk A, Longardt AC, Franzenburg J, Hoff P, Schirmer JH, Zeuner R, Friedrichs A, Steinbach A, Knies C, Markewitz RD, Morrison PJ, Gerdes S, Schreiber S, Hoyer BF. Immunogenicity and safety of anti-SARS-CoV-2 mRNA vaccines in patients with chronic inflammatory conditions and immunosuppressive therapy in a monocentric cohort. Ann Rheum Dis. 2021 Mar 24:annrheumdis-2021-220272. doi: 10.1136/annrheumdis-2021-220272. Epub ahead of print. PMID: 33762264.
8.01.2021
Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh) und ihre Partner begrüßen Transparenz und umfassende Information der Bevölkerung im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie. Seit Beginn der Pandemie informiert die DGRh bestmöglich ihre Mitglieder, Wissenschaftler/innen und Ärzte/innen, die Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen behandeln und auch Patienten/innen selbst. Sie veröffentlicht regelmäßig Empfehlungen zum Thema COVID-19 und Rheuma, zur Therapie oder etwa zur Fortführung der Medikation – sowohl für Ärzte/innen als auch Patienten/innen und informiert auch Medien und Öffentlichkeit. Darüber hinaus betreibt sie ein Register zur Erforschung der Zusammenhänge von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und einer SARS-CoV-2 Infektion und publiziert die Ergebnisse aktuell. Die DGRh kooperiert mit Partnerorganisationen – deutschlandweit und international – und kommuniziert mit Politik und Unternehmen, etwa zur potenziellen Verknappung von Hydroxychloroquin.
In den vergangenen Tagen erreichen die DGRh vermehrt verunsicherte Anfragen aus der Bevölkerung, von Patienten/innen und Rheumatologen/innen sowie von anderen ärztlichen Kollegen/innen bezüglich der Impfempfehlung für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Anlass dazu geben Fehlinformationen seitens Landesregierungen, seitens Krankenkassen und in den Medien: Vielfach wird kommuniziert, dass eine Impfung gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 für Menschen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht zu empfehlen, gar potenziell gefährlich und damit nicht in Anspruch zu nehmen sei. Dies ist nicht zutreffend und ist dringend richtigzustellen, um diesen Menschen die wichtige Möglichkeit zur Impfung nicht zu nehmen.
Die SARS-CoV-2-Impfung mit dem Impfstoff „BNT162b2“ ist zugelassen für alle Personen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, für den Impfstoff „mRNA-1273“ ab 18. Das schließt Patienten mit chronischen Erkrankungen ebenso ein wie Patienten unter immunsuppressiver Therapie. Der Impfstoff ist zwar bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen und bei Patienten, die immunsuppressive/ immunmodulierende Medikamente erhalten, nicht getestet. Erfahrungen mit anderen Totimpfstoffen zeigen, dass die Impfungen auch bei Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in aller Regel sicher und wirksam durchführbar sind. Es besteht weder ein juristisches noch ein hypothetisch begründbares Verbot, die zugelassenen Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 bei diesen Patienten einzusetzen. Im Gegenteil sieht die Ständige Impfkommission (STIKO) im Rahmen der Ihnen bekannten abgestuften Priorisierungsvorschläge insbesondere Patienten/innen mit einem eingeschränkt funktionierenden Immunsystem als vorrangig zu impfende Personen.
Somit ist die Fehlinformation zur Impfung nicht nur unbegründet, sie ist sogar potenziell (lebens-)gefährlich für die Betroffenen, denen dadurch eine Impfung verwehrt wird. Die einzige Kontraindikation gegen die Impfung ist eine Hypersensitivität (Überempfindlichkeit) gegenüber einem der Inhaltsstoffe des Vakzins. Darüber hinaus sollten Schwangere zurzeit nicht geimpft werden.
Die DGRh empfiehlt wie die STIKO dringend die Impfung von Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Das gilt insbesondere bereits jetzt für diejenigen, die aufgrund ihres Alters zusätzlich gefährdet sind.
Die DGRh mit ihren Partnern warnen davor, weiter Fehlinformation zu verbreiten, mit den oben beschriebenen Konsequenzen. Wir raten ausdrücklich dazu, die fehlerhaften Informationen umgehend zu korrigieren, damit Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen nicht die Möglichkeit zur COVID-Impfung genommen wird. Wir bitten zudem alle informierenden Stellen, Landesregierungen, Krankenkassen und Medien, die korrekte Information an die Bevölkerung und damit die Betroffenen zu verbreiten.
Für die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.
Prof. Dr. med. Andreas Krause (Präsident)
Quelle: Warnung vor Fehlinformationen zur Impfung (dgrh.de)